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Lehnert & Landrock

100 Jahre Bilder aus dem Orient

Wenn ich in Kairo weile, gehe ich wenn es mir möglich ist auch je einmal in die Buchhandlung Lehnert und Landrock in der Sharia Sherif Nummer 44 und stöbere neben verschiedensprachigen Büchern in den Reproduzierten Bildern und Postkarten aus dem alten Orient um die Jahrhundertwende zum zwanzigsten Jahrhundert.

Die Bilder des deutschen Fotografen Lehnert gehen noch heute um die Welt. Ein Jahrhundert ist es her, als er mit Holzkamera und Glasplatten durch Nordafrika zog und tausende Fotos machte. Mit seinem Freund Landrock verkaufte er sie im gemeinsamen Geschäft, das heute ein Nachkomme betreibt.

Ouled Nail - Frau

Die Augenwimpern hat sie kräftig mit Chol, auch Bleiglanz genannt geschminkt, mit dem sich bereits die alten Ägypter die Augen optisch vergrößerten., Die Lippen mit Schminke sinnlich verschönert. Genau über der Nasenwurzel ist ein Zeichen, eine Art Doppelkreuz das Erkennungszeichen Ihrer Stammeszugehörigkeit, auf ihre Stirn tätowiert.
Ketten aus kleinen Kupfer- und Silbermünzen hat sie in ihr Haar geflochten, um so ihren Wohlstand zu demonstrieren. Sie ist wohl auf der Suche nach einem Ehemann. Mit ihren tiefschwarzen Augen blickt sie melancholisch in die Kamera des Fotografen - unverschleiert und ohne jede Scheu.

Sie war sicherlich noch keine zwanzig, als dieses Foto entstand, das heute vielleicht zu den bekanntesten Bildern gehört, welche die Kairoer Buchhandlung Lehnert und Landrock bis heute verkauft.

Rudolf Lehnert war der Fotograf dieser Bilder. Das Bild des Berbermädchen entstanden um 1904 oder 1905, dieses und viele seiner anderen Fotografien haben unser Bild vom Orient geprägt..
Damals reiste Rudolf Lehnert mit schwerer Holzkamera und ebenso schweren 18x24 Zentimeter großen Glasplatten von Algerien über Tunesien bis nach Ägypten und fotografierte tausende von Bildern: Wüstenszenen mit Beduinen und Kamelen, arbeitende Frauen, Landschaften am Nil, Schmiede und Händler in Basaren und immer wieder Frauen, verschleiert oder unverschleiert - orientalisches Leben um die Wende zum 20. Jahrhundert eben. Ohne diese Bilder wüssten wir weniger über diese Zeit.

Frauen mit Baby

Zwei Frauen mit Baby

Der Familie Landrock ist es zu verdanken, dass diese Bilder heute noch erhalten sind, obwohl sie auf zerbrechlichen Glasplatten belichtet wurden und nicht auf Film. Die beiden Freunde Lehnert und Landrock hatten in den zwanziger Jahren die deutsche Buchhandlung Lehnert & Landrock in Kairo gegründet, um die Orientbilder zu vermarkten. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Das Geschäft konnte damals nur eine Familie ernähren, nicht zwei", erklärt heute der Enkel des Firmengründers Landrock, Edouard Lambelet. Deshalb ließ sich der Fotograf Lehnert 1930 auszahlen und kehrte nach Tunis zurück.

Die Glasplatten verschwanden in einem Lagerraum der Buchhandlung, die sich in den fünfziger Jahren mühselig mit deutschen und englischen Büchern und Burda-Schnittmustern über Wasser hielt. "Die Glasplatten waren total eingestaubt, viele zerbrochen. Sie waren für jeden zugänglich und sicherlich sind etliche verschwunden oder gar für immer verloren gegangen,

Ouled Nail - Frau Ouled Nail - Frau

Lambelet, der seit den sechziger Jahren in der Buchhandlung seines Vaters arbeitet wollte 1982 den Lagerraum aufräumen. Dabei stieß er unter einem Berg aus Schutt, Müll und Staub die schon verloren geglaubten Glasplatten, eingestaubt und viele beschädigt. Ungefähr zehn Prozent hatten Risse und Sprünge. Aber er erkannte schnell, dass es sich hier um wertvolle Zeitdokumente handelte. Hunderte dieser Glasplatten musste er reinigen, sortieren und katalogisieren. Eine zeitraubende und kostspielige Arbeit, die sich aber gelohnt hat. Denn die Welt interessierte sich plötzlich wieder für die Geschichte des Orients, schließlich sind Ägypten und Tunesien beliebte Reiseziele. Seither produzieren Verlage Bildbände, Museen organisieren Ausstellungen. Zwar ist nicht jedes Bild ein echtes Foto, bei manchen hatte Großvater Landrock nachgeholfen: retuschiert, Dinge hineinmontiert - kurz geschummelt, um langweiligere Fotos aufzupeppen aber auch diese Bilder haben heute ihren Reiz.

Orient-Erotik

Erotische Aufnahme aus dem Orient kurz nach der Jahrhundertwende

Viele Glasplatten gab Lambelet an das Musée de l'Elysée in Lausanne als Dauerleihgabe darunter eine besondere Serie von erotischen Fotografien Fotograf Lehnert hatte duzende Berbermädchen zu Aktaufnahmen überredet. Mal mit Krug, mal ohne, mal oben ohne, mal ganz ohne, jedenfalls alle mit sehr unschuldigem Blick und alle sehr jung. Zu jener Zeit war der Orient tatsächlich um einiges weniger prüde als heute. Auf solche Fotografien konnten Lehnerts europäische Kunden ihre Fantasie vom schwül-erotischen Orient projizieren, der damals immer noch in vielen Köpfen herumspukte.

Die Mädchen gehörten alle dem Ouled Nail Stamm im Südosten Algeriens an, der für seine Freizügigkeit bekannt war und wurden dafür bezahlt. Hier in Ägypten hat er diese Bilder nie ausgestellt aus Sorge, sie könnten beschlagnahmt werden so Lambelet.
Dafür werden selbst heute noch einige dieser Aktfotos teuer im Internet gehandelt, bis zu 80,00 Dollar werden pro Bild geboten.

Orient-Erotik

Auch die melancholische Schöne mit den Münzen im Haar gehört diesem Ouled Nail Stamm an, dessen Frauen sich als Tänzerinnen ausbilden lassen, um als junge Mädchen möglichst viel Geld zu verdienen. Dann kehrten sie mit den Münzen geschmückt in ihre Heimatdörfer zurück, um sich einen Mann zu suchen. Wie lange Lehnert bei diesem Stamm mit den lockeren Sitten lebte, ist nicht überliefert, nach seiner Rückkehr soll er aber zu seinem Freund Landrock gesagt haben: "Meine Bilder werden auch noch in 200 Jahren gefragt sein."

Ouled Nail - Frau Ouled Nail - Frau

Wer jetzt neugierig geworden ist braucht nicht unbedingt den heimeligen Buchladen im Zentrum von Kairo aufzusuchen. Im Ägyptischen Museum hat Lehnert & Landrock eine Filiale mit Büchern über das antike Ägypten wo auch jene Bustouristen in den Reproduktionen der alten Bilder stöbern können, welche nur kurz die 3 größten Sehenswürdigkeiten der Stadt am Nil, Pyramiden, Ägyptisches Museum und Basar für 5 bis 6 Stunden in Augenschein nehmen. Zumindest der jährlich erscheinende Kalender (Format ca. 20 x 22 cm) mit einer Auswahl von 12 Bildern ist lohnenswert, Trotz einem günstigen Preis hebt dieser sich von den überall in Ägypten erhältlichen Papyruskalendern hervor.

Mamelukengräber in Kairo

 

Mamelukengräber in Kairo
Der Bookshop Lehnert & Landrock - Lambelet in Kairo

Alle Bilder © Lehnert und Landrock
Buchhandlung - Kunst Gallerie
Edouard Lambelet & Co
44 Sherif Straße
Cairo
Öffnungszeiten
10-14h & 16h-21h
Sonntags geschlossen

Bericht und Zusammenstellung: H. Gärtner © Juli 2005

 

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